Drogen: Kolumbien im Visier

Robert Lessmann Dr • 29. Juli 2025

Die verbliebenen progressiven Regierungen Lateinamerikas stehen unter Druck der Trump-Administration, die eine autoritäre Wende anstrebt. Mal ist die Migration der Hebel, mal die Justiz. In Kolumbien geht es um die Drogenpolitik. Haben eigenständige Politikansätze eine Chance oder steht eine Rückkehr zu Konzepten an, die seit Jahrzehnten mit verheerenden Konsequenzen scheitern?

„Wir werden nicht zulassen, dass wir wieder die Bösen sind“, sagte Laura Gil, die scheidende kolumbianische Botschafterin in Wien, die als Stellvertretende Generalsekretärin zur Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) geht. Kolumbien habe enorme Opfer im Kampf gegen den Drogenhandel gebracht. In der Tat berichtet der im Juni vom Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen (UNODC – United Nations Office on Drugs and Crime) mit Sitz in Wien veröffentlichte World Drug Report 2025 von einer Kokainschwemme, die vor allem auf eine abermalige Rekordproduktion in Kolumbien zurückgeht. Kokain sei der am schnellsten wachsende illegale Drogenmarkt, konstatiert das UNODC. Die Kokainproduktion liege mit geschätzten 3.708 Tonnen (Zahlen für 2023) um 34 Prozent höher als 2022.

Was den Anbau des pflanzlichen Grundstoffs betrifft, die Blätter des Kokabusches, so entfallen auf Kolumbien 253.000 Hektar, auf Peru 92.784 und auf Bolivien 31.000. Und während er in Bolivien stabil und in Peru leicht zurückgegangen sei, nehme er in Kolumbien rapide zu – und nicht nur das. Verbesserte Sorten und Anbaumethoden sowie Innovationen bei der Weiterverarbeitung der Kokablätter bringen auch höhere Erträge. Während die Kokaanbaufläche dort um 10 Prozent angewachsen sei, rechnet man mit einem Anstieg der Kokainproduktion um 50 Prozent. Und so fürchtet man in Bogotá die alljährliche „certification“ durch den US-Präsidenten – auch wenn sie offiziell nicht mehr so heißt, denn dieser heißt nun Donald Trump.

Imperiale Zertifizierung
Gemäß dem bereits 1986 in der Amtszeit von Ronald Reagan verabschiedeten Anti-Drug-Abuse-Act muss der Präsident alljährlich überprüfen, ob sogenannte drogenproduzierende - oder Transitländer ihren drogenpolitischen Verpflichtungen nachgekommen sind und „kooperativ“ waren. Wenn nicht, werden automatisch eine Reihe von Sanktionen fällig, wie der Stopp von US-Hilfen, Handelssanktionen und US-Vertreter werden auch bei internationalen Organisationen wie der Weltbank gegen Kreditbewilligungen stimmen. Diese Sanktionen können wiederum ausgesetzt werden, wenn der Präsident erklärt, dass nationale Sicherheitsinteressen dies geraten erscheinen lassen. Für die betroffenen Länder ein beträchtliches Damoklesschwert, mit dem es Washington gelang, dort jeweils seine Sicht der Dinge und mitunter sehr konkrete Maßnahmen durchzusetzen. Nur Weltpolizist Uncle Sam verfügt (seit 1978) über ein Büro für internationale Drogenangelegenheiten und Gesetzesvollzug im Außenministerium, das unter anderem für eine permanente Überwachung sorgt. Im März dieses Jahres waren es Bolivien, Burma und Venezuela die, wie es heißt: „have demonstrably failed their obligations“. Doch noch unterzeichnete Präsident Biden das unter seiner Regierung entstandene Dokument, der ihnen bescheinigte, dass eine fortgesetzte Unterstützung „vital to the national interests of the United States“ sei.(1)

Die „certification“ ist also keine Erfindung der Trump-Administration, passt aber als (un)diplomatische Anmaßung perfekt in deren imperiales Amerika-First-Weltbild. Schon die Auswahl der betroffenen Länder macht deutlich, dass es hier eben nicht primär um die Lösung drogenpolitischer Probleme geht: Bolivien ist mit weitem Rückstand nur der drittgrößte Kokaproduzent. Venezuela spielt eine Rolle beim Transit, aber vornehmlich nach Europa, nicht in die USA. Die Regierungen beider Länder sind Washington freilich ein Dorn im Auge. Desgleichen Brasilien, wo aktuell Richter und Staatsanwälte von den USA mit Sanktionen überzogen werden, die in Sachen der aktiven Beteiligung des Expräsidenten Jair Bolsonaro am Putschversuch gegen Wahlsieger Lula da Silva vom 8. Januar 2023 tätig sind. Und brasilianische Waren sind nun in USA mit 50-prozentigen Zöllen belegt. Da überrascht es nicht, wenn Außenminister Marco Rubio dem kolumbianischen Expräsidenten Álvaro Uribe (2002-2010) unverzüglich mit einer Richterschelte beispringt. Uribe, dem Verbindungen zu rechtsextremen Paramilitärs vorgeworfen werden, wurde soeben wegen Zeugenbeeinflussung verurteilt. Und die Verhängung von 50-prozentigen Zöllen auf Kupfer trifft vor allem die Linksregierung von Gabriel Boric in Chile, dem wichtigsten Kupferexporteur, die sich bei den im November bevorstehenden Wahlen einer wieder erstarkten extremen Rechten gegenüber sieht. Es geht hier um politischen Kulturkampf, nicht um die Lösung von Problemen.

Tatsächliche Drogenprobleme
Diese stellen gesundheitspolitische Herausforderungen und Probleme im Bereich der Organisierten Kriminalität dar. So beklagt der World Drug Report 2025 einen weiteren Anstieg der Drogenkonsumenten auf 316 Millionen (6 Prozent der Weltbevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren); davon 244 Cannabis-, 61 Opioid-, 30,7 Amphetamin-, 25 Kokain-, und 21 Millionen Ecstasykonsumenten. Die Gesamtzahl ist höher als 316 Millionen, weil häufig mehrere Substanzen konsumiert werden, was besonders riskant ist, wenn es gleichzeitig geschieht. Hier zeichnet sich aber eine positive Entwicklung ab. Der Cannabis-Konsum junger Menschen geht deutlich zurück. Das gelte unabhängig davon, ob strikte Prohibition herrsche oder liberalere Gesetze und sei auf gestiegenes Gesundheitsbewusstsein beziehungsweise Risikowahrnehmung zurückzuführen, hört man aus dem UNODC. Die Drogenberichte Deutschlands und Österreichs bestätigen dies und berichten Gleiches auch über den Alkoholkonsum, auch wenn konservative Politiker angesichts der neuen Cannabis-Gesetzgebung des vormaligen Gesundheitsministers Karl Lauterbach Zeter und Mordio schrien, noch bevor irgendwelche (belastbaren) Zahlen vorlagen und sogar den Kölner Bandenkrieg vom letzten Sommer damit in Verbindung brachten, wo es doch gerade darum geht, diesen Banden durch einen regulierten, legalen Markt den Boden zu entziehen.

Die größten Gesundheitsprobleme liegen nach wie vor sehr eindeutig bei Opiaten und ihrer Verabreichung durch Spritzen sowie Opioiden. Laut UNODC sind Hepatitis C- und HIV-Infektionen für zwei Drittel der tödlich endenden Drogenkarrieren verantwortlich. Und in Nordamerika sterben alljährlich Zehntausende im Rahmen der „Fentanyl-Krise“ an Opioid-Überdosen. Gerade hier zeichnet sich auch für Europa ein Problem ab, das paradoxerweise mit dem bislang erfolgreichen Anbauverbot für Schlafmohn durch die Taliban in Afghanistan verbunden ist. Die Opiumproduktion, Ausgangsprodukt für Heroin, ist dort um 95 Prozent gesunken; weltweit sind es nur 72 Prozent, weil Myanmar (Burma) nun wieder mehr produziert. Bisher haben üppige Lagerbestände dafür gesorgt, dass die Angebotsverknappung auf den europäischen Märkten kaum zu spüren war. Sie dürften noch bis 2026 halten. Doch schon sind einerseits die Opiumpreise in Afghanistan um das Zehnfache gestiegen und es besteht andererseits die Gefahr, dass eine Verknappung dazu führt, dass das Endprodukt Heroin durch wesentlich potentere und gefährlichere Fentanyle oder Nitazene gestreckt oder ersetzt wird. Ein unkalkulierbares Risiko.

Eine neue Ära globaler Instabilität habe die Herausforderungen im Kampf gegen das Drogenproblem intensiviert, Gruppen der Organisierten Kriminalität (OK) gestärkt und den Drogenkonsum auf Rekordniveau gehoben, schreibt die scheidende UNODC-Chefin Ghada Waly in ihrem Vorwort. Drogen sind weltweit die wichtigste Einkommensquelle für Gruppen der OK. Hier macht sich der World Drug Report 2025 Gedanken über ein gezieltes Vorgehen gegen solche Gruppen und deren Schlüsselpositionen und -figuren. Da geht es um dreistellige Milliardenbeträge, wenngleich Schätzungen schwierig sind. So gehe fast die Hälfte der Geldwäscheoperationen in Europa auf Drogengeschäfte zurück. Konventionelle Standardmaßnahmen hätten sich als wenig effizient erwiesen. Eine übergroße Anzahl von Verfahren betreffe Drogenbesitz und -konsum. Neue Töne aus Wien. Experten beklagen seit langem, dass überwiegend kleine Fische verfolgt werden.

Gerade für lateinamerikanische Länder stellt die OK mit ihren Einnahmen aus dem expandierenden Kokaingeschäft ein besonderes Problem dar. Verschiedene ihrer Gruppen fordern dort nicht nur Rechtstaatlichkeit und Demokratie heraus, sie haben vielfach auch territoriale Kontrolle erlangt: etwa in brasilianischen Favelas oder ganzen Landstrichen Mexikos und Kolumbiens. So stellt das im Jahr 1993 in einem Gefängnis in São Paulo gegründete Primeiro Comando da Capital (PCC) in Brasilien, dem inzwischen zweitgrößten Konsumenten von Kokain nach den USA, laut US State Department die größte Bedrohung für die nationale Sicherheit dar. Es sei dort in 22 der 27 Bundesstaaten aktiv sowie in 16 Ländern weltweit, darunter in den USA und im Nachbarland Bolivien. Im Mai 2024 hat man im Bundesstaat Amazonas 200 Meilen westlich von Manaus 2,2 Tonnen Kokain beschlagnahmt.

Kolumbien im Visier
Warum also Kolumbien? Unter dem Etikett des Kampfes gegen den Drogenhandel und über den Hebel der „certification“ haben die Vereinigten Staaten in der Vergangenheit auch strategische Interessen verfolgt, die die Trump-Administration gefährdet sieht. Zudem duldet sie keine Unbotmäßigkeiten. Mexiko, wo es neben Drogen vor allem um illegale Migration geht, wurde außerhalb des regulären Verfahrens bereits per Dekret die „certification“ entzogen. Gleich zu seinem Amtsantritt definierte Präsident Trump mexikanische Drogenorganisationen als Terrororganisationen und brachte Präsidentin Claudia Sheinbaum mit Interventionsdrohungen dazu, die Grenzkontrollen zu militarisieren. Mexiko ist für die USA der mit Abstand wichtigste Zulieferer von Opioiden wie Fentanyl und Transitland für Kokain.

Kolumbien ist traditionell der wichtigste Verbündete der Vereinigten Staaten in Lateinamerika. Im Rahmen des noch unter Präsident Clinton initiierten Plan Colombia hat Washington dort seit der Jahrtausendwende 12,6 Milliarden USD in die Drogen- und Aufstandsbekämpfung gesteckt. Zwei Drittel davon waren Polizei- und Militärhilfe. Sieben Militärbasen entstanden, wo unter anderem kolumbianische Militärs von US Special Forces für den Drogenkampf ausgebildet wurden, die heute im Rahmen der Regional Security Cooperation ihrerseits Ausbildungsprogramme für Sicherheitskräfte anderer lateinamerikanischer Länder durchführen; im vergangenen Jahr sollen es 6.000 gewesen sein. Zumeist richteten die Regierungen in Bogotá ihre Politik nach den Wünschen Washingtons aus. Wo sie zu eigenwillig waren, half man nach. So führten Korruptionsvorwürfe und der Entzug der „certification“ dazu, dass Präsident Ernesto Samper Mitte der 1990er Jahre in ein Programm zur Besprühung von Kokafeldern mit Glyphosat aus der Luft einwilligte. Die Anbaufläche wuchs in den darauffolgenden Jahren trotzdem um das Dreifache. Waren es ursprünglich nur sechs, so wurde zur Jahrtausendwende in 23 der 33 Departments Koka angebaut. Seither will man mehr als 2,5 Millionen Hektar vernichtet haben – mehr als das Zehnfache der heutigen Rekordanbaufläche. Das Gegenteil einer nachhaltigen Strategie.

Insbesondere in den Jahren der Seguridad Democrática unter Präsident Álvaro Uríbe wurde schwerpunktmäßig über Guerillagebiet im Süden des Landes gesprüht. Landesweite Kokareduzierungen um 80.000 Hektar zwischen 2000 und 2004 wurden fast ausschließlich in den südlichen Departments Caquetá und Putumayo erzielt, Hochburgen der Guerilla Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC). Diese Strategie, die Guerilla von ihrer wichtigsten Einkommensquelle abzuschneiden, hält man in Washington für ausschlaggebend dafür, dass die FARC schließlich zu Friedensgesprächen bereit waren. Zumindest ebenso wichtig dürfte aber der Einsatz von US-Militärtechnologie (high value targeting) gewesen sein, die es erlaubte, Guerillacamps unter dem Blätterdach aufzuspüren. Auf diese Weise konnten etliche ihrer Comandantes gezielt getötet oder gefangen genommen werden. 

Wie dem auch sei: Im Jahr 2015 wurden die Besprühungen im Rahmen des Friedensprozesses eingestellt, für den Präsident Juan Manuel Santos 2016 den Friedensnobelpreis erhielt. Der Bürgerkrieg mit der ältesten und größten Guerillaorganisation war zu Ende. Tausende ihrer Kämpfer wurden entwaffnet, Hunderte später ermordet. Denn Nachfolger Iván Duque – wie auch etwa die Hälfte der Wahlbevölkerung – hielt nichts vom Friedensabkommen. Insbesondere das Kapitel 4 des Abkommens, wonach die Bauern ihre Kokafelder freiwillig aufgeben und mit Überbrückungskompensationen auf Alternativen umsteigen sollten, hat nicht funktioniert. Nicht nur, weil es eine sehr schwierige Aufgabe gewesen wäre, sondern vor allem, weil es unter der Regierung Duque nicht umgesetzt wurde. Insgesamt ist es nicht gelungen, in den von der Guerilla geräumten Gebieten (rechts-)staatliche Präsenz herzustellen.

„You’re going to have to spray“, richtete Donald Trump Iván Duque schon bei dessen Besuch in Washington im Jahr 2020 aus. Der hätte das auch gerne getan, nur wollte die Biden-Administration (ab 2021) diesen Irrsinn nicht mehr finanzieren. Denn nicht nur hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO das Pflanzengift Glyphosat in Verdacht, krebserregend zu sein. Die Politik der Zwangseradikation hatte sich längst überdeutlich als Nachhaltigkeitsdesaster mit hohen Nebenkosten wie Umweltschäden und Bauernvertreibung erwiesen.

Die amtierende Regierung von Gustavo Petro setzte unter dem Motto Paz Total die Befriedungspolitik fort und dabei wieder auf Freiwilligkeit bei den Bauern und legte einen Schwerpunkt auf die Drogenhändler. Da wurden in den beiden vergangenen Jahren sowohl bei den Kokainbeschlagnahmungen (960 Tonnen im Jahr 2024) als auch bei der Entdeckung und Zerstörung von Drogenlabors Rekordergebnisse erzielt. Doch Kokaanbaufläche und Kokainproduktion wachsen weiter. Das Problem liegt heute nicht nur darin, dass Bauern einmal mehr von ihrer Regierung enttäuscht wurden und das Vertrauen verloren. Mit der Auflösung der FARC ist die Situation der territorialen Kontrolle noch komplizierter geworden. Die heutigen Hochproduktivitätszonen – paradoxerweise liegen sie gerade in den früheren Schwerpunktregionen der Guerillabekämpfung im Süden des Landes – befinden sich unter Kontrolle von Guerilla-Dissidenten, rechtsextremen Paramilitärs oder sonstiger bewaffneter Banden. Die Bauern werden dort manchmal sogar zum Anbau gezwungen. So sah sich die Regierung Gustavo Petro im vergangenen Jahr gezwungen 1.400 Polizei- und Militärkräfte in die Regionen El Plateado und Cañón de Micay im Department Cauca zu entsenden, wo es im März dieses Jahres zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit FARC-Dissidenten der Frente Carlos Patiño kam. Im Rahmen ihrer Nationalen Drogenpolitik von 2023 möchte sie bis 2026 40 Prozent der Kokaanbaufläche reduzieren und 50.000 Bauern in alternative Produktion bringen. Doch wurde bereits das bescheidene Eradikationsziel von 10.000 Hektar (2024: 9.403) knapp verfehlt.

Retourkutsche?
Mit der weiteren Schwerpunktverlagerung der Kokainproduktion in den Süden Kolumbiens wurde das Nachbarland Ecuador mit seinen Pazifikhäfen zum wichtigen Transitland und zum Schauplatz blutiger Revierkämpfe von Drogengangs. Die Rate von Mord und Totschlag kletterte dort von 7,8 (pro 100.000 Einwohnern) im Jahr 2020 auf 45,7 (2023). In Deutschland liegt sie bei 0,82, in Österreich bei 0,87. Ein Fanal war die Besetzung eines Fernsehstudios vor laufenden Kameras durch Angehörige der Bande Los Choneros und die Flucht von deren Chef José Adolfo Macías alias „Fito“ aus dem Gefängnis im Januar 2024, was zur Verhängung des Ausnahmezustands führte.

Die Politik der harten Hand des im Frühjahr wiedergewählten ecuadorianischen Präsidenten Daniel Noboa kann als Beispiel dafür gelten, was Washington gefällt. Nach seiner erneuten Verhaftung am 25. Juni 2025 wurde „Fito“ umgehend an die USA ausgeliefert. Im Gegensatz zu seiner Kollegin Claudia Sheinbaum in Mexiko, die einen Einsatz ausländischer Truppen auf ihrem Staatsgebiet ablehnt, bemüht sich Noboa darum, dass Washington ecuadorianische Gruppen ebenfalls als Terrororganisationen einstuft, was den Weg dafür frei machen würde. Bereits im Februar 2024 hat die ecuadorianische Regierung gemeinsame Operationen von US-Militärpersonal und ecuadorianischen Sicherheitskräften erlaubt. Bei seinem Besuch in den USA warb Noboa um US-Militärunterstützung und er verhandelte sogar mit dem privaten Söldnerunternehmen Blackwater, das ecuadorianische Sicherheitskräfte für den Straßenkampf ausbilden soll. Der Sender CNN berichtete darüber hinaus über sehr konkrete Pläne, die Luftwaffenbasis Manta wieder zu aktivieren und zum Marinestützpunkt auszubauen. Manta war zwischen 1999 und 2009 eine sogenannte Forward Operation Location – FOL des US Southern Command zur Luftraumüberwachung im Andenraum, bevor ausländische Militärbasen in der neuen Verfassung von 2008 verboten und der Stützpunkt unter Präsident Rafael Correa geschlossen wurde. Die Funktionen von Manta wurden damals teilweise von den erwähnten sieben Militärbasen in Kolumbien übernommen.

Ganz anders stellt sich das Verhältnis der Trump-Administration zur kolumbianischen Regierung unter Gustavo Petro dar. Nicht nur steht man deren Politik des Paz Total skeptisch gegenüber (um das Wenigste zu sagen). Gleich zu Beginn von Donald Trumps Amtszeit gab es einen showdown in den Beziehungen, als Präsident Petro Flugzeuge mit abgeschobenen Flüchtlingen zurückwies und dann unter Sanktionsdrohungen zum Einlenken gezwungen wurde. Eine einmalige Brüskierung des wichtigsten Verbündeten.

Schon im vergangenen Jahrzehnt war Kolumbien durch Unbotmäßigkeit aufgefallen, als es zusammen mit Mexiko und Guatemala eine Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen (UNGASS 2016) zur Drogenpolitik mit dem Ziel einer Reform erwirkte, was letztlich dann nur teilweise erfolgreich war. In diesem Frühjahr wurde bei der 68. UN Commission on Narcotic Drugs in Wien unter Federführung der eingangs zitierten kolumbianischen Botschafterin Laura Gil eine Resolution eingebracht, die eine Überprüfung des internationalen Regelwerks der Drogenkontrolle durch eine Expertengruppe verlangt. Die Resolution wurde mit 30 Stimmen, 18 Enthaltungen und drei Gegenstimmen angenommen, wozu ein verstörend arrogantes Eingangsstatement der US-Delegation beigetragen haben dürfte. Mit ihr stimmten nur Argentinien und Russland dagegen. Eine historische Abstimmungsniederlage für Washington in diesem Forum. Gerade vor diesem Hintergrund ist – abseits drogenpolitischer Probleme, Erfolge oder Misserfolge – eine „decertification“ als Retourkutsche denkbar.

(1) U.S. Department of State/ Bureau for International Narcotics Matters and Law Enforcement Affairs: "International Narcotics Control Strategy Report", Vol. 1 Drugs and Chemical Control, Washington D.C., March 2025. Die zu Grunde liegende Bewertung erfolgt jeweils bereits im Herbst des Vorjahres.